Wachsen mit guten und schlechten Gefühlen
Das Magazin
Alles steht Kopf 2 - Psychologische Hintergründe
Neulich war ich im Kino und habe den Film „Alles steht Kopf 2“ gesehen. Der Film hat mich so fasziniert, dass ich ihn mir gleich zwei weitere Male angesehen habe.
Der Film handelt von Riley, einem 13-jährigen Mädchen, das in San Francisco lebt. Im Film werden alle Menschen von Gefühlen gesteuert. Diese Emotionen sind kleine Wesen, die im Kopf eines jeden Menschen leben. Es gibt die Emotionen Freude, Trauer, Wut, Angst und Ekel.
Im ersten Teil werden Freude und Trauer ins Unterbewusstsein verbannt, was eine Krise im Leben der Hauptfigur auslöst. Die Erkenntnis des ersten Films ist, dass alle Emotionen ihre Gültigkeit haben und es keine schlechten Gefühle gibt. Nur durch die Kombination und Zusammenarbeit der Emotionen kann ein Mensch sich gut entwickeln.
Im zweiten Teil, den ich mehrfach im Kino gesehen habe, kommt Riley in die Pubertät, was eine Reihe neuer Emotionen in die Schaltzentrale des Kopfes bringt. Zweifel, Neid, Peinlichkeit und Langeweile tauchen auf. Diese übernehmen im Film die Kontrolle und Zweifel verbannt alle Grundemotionen als verdrängte Emotionen ins Unterbewusstsein. Darüber hinaus versucht das Team der neuen Emotionen, Rileys bisheriges Selbstbild zu verändern, indem nur noch durch Zweifel geprägte emotionale Erinnerungen als Basis für Überzeugungen gewählt werden. Dies führt zu der Selbstüberzeugung, dass Riley glaubt, „nicht gut genug" zu sein. Sie bekommt eine Panikattacke und kann nur durch die gesammelte Kraft der Emotionen wieder zu einer gesunden Persönlichkeit werden.
Zudem wird beschrieben, wie bewusst die Entstehung von Glaubenssätzen gesteuert wurde und dies zu Problemen führt. Sowohl positive, als auch negative Erlebnisse gehören zur Persönlichkeit dazu und sollten nicht ignoriert werden.
Aber was ist die psychologische Grundlage des Films und was sind die psychologischen Prinzipien, die hinter diesem Film stehen?
Emotionen
In seiner Forschung identifiziert der Psychologe Paul Ekman sieben grundlegende Gefühle. Diese sieben Grundgefühle entsprechen exakt den im Film dargestellten Emotionen, nämlich Freude, Trauer, Wut, Angst und Ekel.[1] Als weitere Emotionen führt er Verachtung und Überraschung an. Diese werden im Film jedoch nicht dargestellt.[2]
Im zweiten Film werden neben den Grundemotionen zudem zusätzliche Emotionen präsentiert. Die Ausbildung dieser komplexeren Emotionen erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich in der Pubertät. Des Weiteren werden im Film die Emotionen Zweifel, Peinlichkeit, Neid und Langeweile neu eingeführt. Diese Emotionen können als zusammengesetzte Emotionen betrachtet werden. Die Kombination von Emotionen führt zur Entstehung komplexer Emotionen[3]: Zweifel lässt sich als eine Mischung aus Angst und Trauer definieren, während Peinlichkeit eine Reaktion sein kann, die aus einer Kombination von Angst, Trauer und Wut resultiert. Langeweile kann als ein Zustand beschrieben werden, der durch Trauer und Ekel gekennzeichnet ist. Neid ist eine Kombination aus Wut, Trauer und Ekel. [4]
Diese Überlegungen bilden das Grundkonzept des Films, das im zweiten Teil um komplexe, kombinierte Emotionen ergänzt wird.
Unterdrückte Emotionen
Die Grundemotionen werden im Film in die Tiefen des Hinterkopfes geschickt. Dabei gerät die Psyche des Mädchens massiv außer Kontrolle.
Die bewusste Unterdrückung von Gefühlen, wie im Film gezeigt, hat gefährliche Folgen. Schon Sigmund Freud sprach von der Unterdrückung und Verdrängung von Emotionen ins Unbewusste als Schutz vor emotionalem Schmerz. Moderne kognitiv-Verhaltenstherapeutische Ansätze sprechen ebenfalls von der Unterdrückung von Emotionen als eine Bewältigungsstrategie, die langfristige Auswirkungen haben kann.[5]
Im Film werden die Grundemotionen alle Unterdrückt, wodurch die von Zweifel geprägte Persönlichkeit entsteht.
Entstehung des Selbstbildes durch Glaubenssätze
Im Film bildet Riley ein ausgeprägtes Selbstbild aus Glaubenssätzen, die aus Erinnerungen entstehen. So hat Riley zunächst ein sehr einfaches Selbstbild: „Ich bin ein guter Mensch“. Dieses Selbstbild wird durch die neue Emotion Zweifel gestört und in „Ich bin nicht gut genug“ umgewandelt. Durch die gemeinsame Anstrengung der Emotionen wird Rileys Selbstbild zu einer großen Menge von Überzeugungen.
„Ich bin nicht gut genug“ ist eine häufige Überzeugung von Menschen, die sich stark auf das emotionale Erleben auswirkt. Überzeugungen entstehen meist in der frühen Kindheit. Die Art und Weise, wie Eltern oder nahe Angehörige mit ihren Kindern interagieren, kann positive, aber auch negative Überzeugungen entstehen lassen.
Positive Überzeugungen sorgen für ein gesundes Selbstbild und fördern ein hohes Selbstwertgefühl und Selbstakzeptanz, ein inneres Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, die Fähigkeit, soziale Beziehungen einzugehen, und die Fähigkeit, mit Stress umzugehen. Positive Überzeugungen sind zum Beispiel: „Ich bin liebenswert“, „Ich bin es wert, geliebt zu werden“, „Ich kann Herausforderungen meistern“ oder „Ich bin gut, so wie ich bin“.
Negative Überzeugungen hingegen führen zu einem geringen Selbstwertgefühl und lösen Selbstzweifel aus. Sie führen zu emotionaler Instabilität und bilden die Grundlage für Probleme wie psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. Sie führen auch zu zwischenmenschlichen Problemen. Typische negative Überzeugungen sind: „Ich bin nicht gut genug“, „Ich bin nicht liebenswert“, „Gefühle zeigen ist ein Zeichen von Schwäche“, „Ich bin ein Versager“ oder „Ich muss perfekt sein, um geliebt zu werden“.[6]
Die psychologische Grundlage für beide Arten von Überzeugungen ist die Theorie vom inneren Kind.[7] Laut der Theorie gibt es innere Aspekte, die einem Kindlichen Modus entsprechen. Dieses innere Kind kann positiv oder negativ durch Erlebnisse beeinflusst werden. Dadurch können Glaubenssätze entstehen. So spricht Stefanie Stahl im Buch „das Kind in dir muss Heimat finden“ vom Sonnenkind und vom Schattenkind neben dem inneren Erwachsenen. Diese haben einen starken Einfluss auf unser Gefühlsleben im Erwachsenenalter. Somit können die frühen Prägungen aus der Kindheit über unsere Glaubenssätze enormen Einfluss auf unser späteres Leben haben.
Während der erwachsene Modus überlegte und rationale Entscheidungen treffen kann, ist das innere Kind (Sonnen-/Schattenkind) von den Erfahrungen in der Jugend und damit von den inneren Glaubenssätzen geprägt.
Im Film sind diese Überzeugungen ebenfalls Resultat von Erfahrungen, die im Kindesalter gesammelt werden. Viele Erfahrungen, die im Unterbewusstsein gesammelt werden, bilden dabei Überzeugungen. Je älter eine Person wird und je mehr sie erlebt hat, desto komplexer können diese Überzeugungen sein.
Insgesamt lässt sich sagen, dass der Film Grundprinzipien der Psychologie leicht vereinfacht, aber insgesamt gut umsetzt. Statt sieben Grundemotionen gibt es im Film nur fünf Emotionen.
Besonders das neue Prinzip der Glaubenssätze und inneren Überzeugungen ist sehr interessant umgesetzt und hat mich motiviert weiter zu recherchieren und das Buch von Stefanie Stahl zum Thema inneres Kind und den Einfluss von Glaubenssätzen auf das Selbstbild zu lesen.
Falls ich euer Interesse am Thema wecken konnte, schaut euch doch mal den Film „Alles steht Kopf“ an oder lest euch weiter ins Thema ein.
[5] https://www.oberbergkliniken.de/artikel/die-macht-von-unterdrueckten-gefuehlen-wie-sich-innere-wut-auf-die-psychische-gesundheit-auswirken-kann
[6] Stefanie Stahl: Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme.