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Einfluss von Corona auf die Architektur

Die Corona Krise verändert fast alle Lebensbereiche unserer heutigen Gesellschaft.
In diesem Beitrag befassen wir uns mit der Frage, in wie weit Corona Einfluss auf die Architektur hat, oder in Zukunft haben könnte.

Ob Home-Office Pflicht, Quarantäne-Regelungen, oder geschlossene Kitas und Schulen, Corona hat den Alltag vieler Menschen weitestgehend in die eigenen vier Wände verlagert.

Die Wohnung oder das Eigenheim wurden durch die Pandemie zugleich zum Arbeitsplatz für die Erwachsenen und zur Schule für die Kinder. Aktivitäten abseits der beruflichen und schulischen Verpflichtungen, wie z.B. Sport finden seit Corona ebenfalls zu Hause statt. [Quelle: vgl. Pharmazeutische Zeitung 12/2020]. Dies führt zu einer Verschiebung der Anforderungen an die Immobilie und stellt bisherige Wohntrends, wie z.B. offene Grundrisse, zunehmend in Frage.
Die Architektin und Dozentin der Northumbria Universität Tara Hipwood hält es sogar für wahrscheinlich, dass offene Grundrisse bald der Vergangenheit angehören könnten.

Hipwood begründet dies damit, dass vielen Familien in der Krise persönliche Bereiche und Intimsphäre wichtiger geworden seien. Offene Grundrisse sind zwar sehr ansehnlich, sind jedoch eher darauf ausgelegt, dass einzelne Familienmitglieder zu unterschiedlichen Zeiten die Räume nutzen. Die Zusammenlegung der Bereiche: Wohnen, Essen, Arbeiten und Kochen scheint also wenig Corona tauglich zu sein.

[Quelle: vgl. Pharmazeutische Zeitung 12/2020]

Wer viel zu Hause ist, legt häufig auch Wert auf Dinge, die vor der Corona Pandemie als weniger wichtig erachtet worden sind. Man kann sagen, dass durch den längeren Aufenthalt in den eigenen vier Wänden Defizite innerhalb der Wohnung, oder im unmittelbaren Wohnumfeld stärker wahrgenommen werden und daraus häufig der Wunsch einer Veränderung resultiert. Bereiche des Wohnkomforts, wie z.B. gute Heizlösungen, Luftqualität und die Minimierung von vermeidbarer Lärmbelastung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Hipwood erwartet daher eine Zunahme an Investitionen in die Immobilie, die die oben genannten Bereiche verbessern – wie z.B. Mehrfachverglasungen und Wärmedämmung – was zu einer Reduktion der C02-Emissionen führen würde.

Ferner hat sich gezeigt, dass abgetrennte Lernbereiche für Schulkinder positive Auswirkungen auf den Lernerfolg haben. Eltern werden also in Zukunft stärker gefordert ihren Kindern in den eigenen vier Wänden ein optimales Lernumfeld zu bieten.

Die Zufriedenheit der Menschen während der Pandemie ist jedoch nicht ausschließlich durch die interne Organisation ihrer Wohnung geprägt, sondern auch in hohem Maße von der Qualität ihres Wohnumfeldes. Besonders wichtig ist den meisten Menschen natürliches Licht und ein direkter Zugang zur Natur.

Betrachtet man den aktuellen Häuserbau, so lässt sich feststellen, dass in Zukunft vermehrt auf die veränderten Bedingungen und Bedürfnisse der Bewohner eingegangen werden muss.

Eine Studie rund um das Team von Professor Matthew Carmona vom University College London beinhaltete die Befragung von 2500 Haushalten zur Zufriedenheit mit der eigenen Wohnsituation während der Pandemie. Eines der der Ergebnisse war, dass vor allem Neubauten kritische Gestaltungsdefizite aufweisen. Während die Zufriedenheit der Bewohner in Häusern aus den letzten 10 Jahren am schlechtesten bewerten wurde, zeigten sich Menschen, die in Altbauten aus der Zeit um die Jahrhundertwende lebten am zufriedensten. 

Am wichtigsten wurde der Zugang zu privaten Flächen im Freien, wie z.B. Garten, Terrasse, oder Balkon bewertet. Sowohl Hipwoods, als auch Carmonas Beobachtungen zeigen, dass ein Wohnumfeld dann als optimale bewertet wird, wenn es genügend getrennte Zimmer, ausreichend frische Luft und Tageslicht bietet und die Lärmbelastung möglichst gering ist.

Wenn es um die Zufriedenheit mit dem Wohnumfeld geht, wurde der Zugang zu öffentlichen Grünflächen in weniger als 5 Minuten als elementar identifiziert. Sobald Parks oder andere Grünanlagen weiter als zehn Minuten entfernt lagen, zeigte sich ein rapider Abfall der Zufriedenheit.

Darüber hinaus spielt ebenso die Erreichbarkeit von Geschäften und Dienstleistungen eine zentrale Rolle. Auch hier gilt es, die zehn Minuten Grenze nicht zu überschreiten.

Abschließend lässt sich festhalten, dass viele Arbeitgeber ihre internen Betriebsabläufe bereits erfolgreich an die Arbeit aus dem Home-Office angepasst haben. Damit einhergehend steigt die Anzahl der Shared-Working-Spaces in den Büros, oder es fallen gar Arbeitsplätze komplett weg, die nun ausschließlich aus dem Home-Office bedient werden. Innerhalb der Städte führt dieser Trend zu einer Umnutzung von Büroflächen, die nun den anderen Bereichen, wie z.B. dem Wohnen zur Verfügung stehen. Bezogen auf Privatpersonen kann davon ausgegangen werden, dass in Zukunft mehr Investitionen in die energetische Sanierung von Bestandswohnungen fließen und Neubauten etwas großzügiger dimensioniert werden, da nun ein gesteigerter Bedarf an Arbeitsbereichen innerhalb der eigenen vier Wände besteht. Aus städtebaulicher Sicht hat Corona deutlichen Handlungsbedarf aufgezeigt. Hier fehlt es oft noch an guter Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer, dem flächendeckenden Zugang zu öffentlichen Grünflächen und der Bereitstellung von Geschäften und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Nähe zur eigenen Wohnung.