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Ist Cradle to Cradle die Zukunft?

Angestoßen durch die immer dramatischer werdende Situation des Klimawandels, des Verlustes von Artenvielfalt, der Verunreinigung von Böden, Gewässern und anderen Biosphären, entstand die Idee Umwelt- und Klimaschutz neu zu denken.

 

Cradle to Cradle bezeichnet eine Philosophie des deutschen Chemikers Dr. Michael Braungart und des amerikanischen Architekten William McDonough. Der Grundgedanke ist eine vollkommen neue Herangehensweise an die Produktion von Gütern. Bislang sind die Produktions- und Verwertungsprozesse in unserer Gesellschaft linear, also cradle-to-grave. Wir sammeln Rohmaterialien, stellen ein Produkt daraus her und am Ende des Lebenszyklus des Produktes werden im besten Fall einzelne Komponenten recycelt. Das Ergebnis dieser Verfahrensweise ist die Erzeugung enormer Mengen an Müll.
Das Cradle to Cradle Konzept, denkt im Gegensatz zur konventionellen Produktionsweise in sogenannten geschlossenen Stoffkreisläufen. Den biologischen und den technischen Stoffkreisläufen. Idealerweise lassen sich Produkte am Ende ihrer Lebenszeit beispielsweise durch Verrottung in den biologischen, oder durch Re- und Upcycling in den technischen Stoffkreislauf überführen. Ein grundlegendes Ziel dieser Philosophie ist der Erhalt natürlicher Ressourcen und Rohmaterialien durch die Eliminierung des Konzeptes von Müll.

Eine Kernaussage des Cradle-to-Cradle Konzeptes ist: „Being less bad is not good.“. Bezogen auf den Umweltschutz kann die Aussage so verstanden werden, dass bisherige Bemühungen, z.B. die Reduktion des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen, die Minimierung der Verwendung umweltschädlicher Chemikalien in Produktionsprozessen, oder der gängige Ansatz des Recyclings nicht weit genug gehen. All diesen bis dato üblichen Methoden ist gemeinsam, dass sie lediglich darauf abzielen schädliche Prozesse zu minimieren anstatt einen positiven Beitrag zu leisten. Cradle to Cradle denkt den Umweltschutz an dieser Stelle komplett neu. Im Gegensatz zu aktuellen Verfahrensweisen, z.B. der Reduktion des Konsumverhaltens, minimierten ökologischen Fußabdrücken von Produkten oder Bauwerken, oder dem Recycling von verwendeten Rohstoffen, propagieren Braungart und McDonough sogar einen verschwenderischen Ansatz. Dies soll durch die bereits erwähnten geschlossenen Stoffkreisläufe erreicht werden. Die Philosophie von Braungart und McDonough setzt daher bereits beim Produktdesign und der Auswahl von Materialien und damit auch der Auswahl verwendeter Chemikalien an.

Ziel ist also die Herstellung von Produkten, die nicht nur weniger oder gar unschädlich für Mensch und Umwelt sind, sondern nach dem Cradle to Cradle Konzept einen positiven Beitrag zu unserem Ökosystem leisten.
Nach Jahren der Forschung und Kooperativen mit Unternehmen der Privatwirtschaft, entstanden zum Beispiel Kleidungsstücke, die zu 100% biologisch abbaubar sind und keine für Mensch oder Umwelt schädlichen Chemikalien enthalten. Falls dies Ihr Interesse geweckt hat, sollten Sie vielleicht einmal bei Trigema vorbeischauen. Dort finden Sie u.a. Bekleidungsstücke die mit dem Cradle to Cradle Zertifikat Gold ausgezeichnet sind.

Das Zertifizierungssystem schafft eine gewisse Transparenz und Vergleichbarkeit. D.h. Hersteller und Konsumenten können nachvollziehen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um das begehrte Zertifikat zu erhalten. Dabei beschränkt sich das Zertifizierungssystem natürlich nicht ausschließlich auf Textilien, wie in unserem Beispiel, sondern findet u.a. auch im Bausektor bei der Bewertung von Materialien oder ganzen Projekten Anwendung.

Da der Bausektor zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren gehört und eine bedeutende Rolle im Kontext der Nachhaltigkeit spielt, lassen sich auch hier Pilotprojekte zu Cradle zu Cradle finden.

Eines der bekanntesten Projekte dürfte Park 20/20 sein. Ein Businesspark in der Nähe von Amsterdam, bei dem C2C bereits in der Konzeptphase Anwendung fand.   Link:  Park 20 I 20

Bei kritischer Betrachtung fällt jedoch auf, dass ein so radikales und ganzheitliches Konzept in der Praxis teilweise an seine Grenzen stößt. So kann bemängelt werden, dass die Materialdatenbanken weder frei zugänglich, noch besonders umfangreich sind. Des Weiteren sind einzelne Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit von Bauprojekten oftmals nichts Neues. Die Verwendung von Gründächern, Photovoltaikanlagen und nachhaltigen Energiequellen sind als einzelne Maßnahmen bereits gängige Praxis.

Nichts desto trotz kann man sagen, dass der Kerngedanke von Cradle-to-Cradle zukunftsweisend ist und sich hoffentlich weiterhin Akteure finden, die bereit sind an dieser Vision mit zu wirken.