Die Eindrücke, die diese Reise bei mir hinterlassen hat, fallen mir nur schwer auszudrücken. Mal fühlte ich mich in einer dystopischen Zukunft, mal in der Vergangenheit und Mal in einem komplett anderen Universum.
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Reise nach Milan
Im April diesen Jahres reiste ich gemeinsam mit einer Freundin nach Milan in Italien. Wir hatten uns eine günstige Flixbus-Verbindung rausgesucht, mit der wir nach 17 Stunden Fahrt dort eintreffen würden. Nachdem wir mit einer Stunde Verspätung schließlich losgefahren waren, führte unser Weg uns gen Süden. Die Durchquerung der Alpen war für mich, die noch nie einen Berg von Nahem gesehen hatte, ein atemberaubendes Erlebnis. Vor den langen Tunneln bangte es mir etwas, doch glücklicherweise verschlief ich diese. Am Mittag des nächsten Tages kamen wir dann an. Der Temperaturunterschied war sofort merkbar und während die Bäume vor meinem heimatlichen Fenster gerade erst zu sprießen begonnen hatten, blühte und grünte hier bereits alles in voller Pracht. Auf unserem Weg zum Hostel bewunderten wir die von Pflanzen umrahmten Häuser und entdeckten die ersten Eidechsen, von welchen wir im Verlauf des Urlaubs noch sehr viele mehr zu Gesicht bekommen würden. Wir liefen nicht lang, bis wir am Tor zu unserem ausgewählten Aufenthaltsort ankamen. Ein Pfad durch den gemütlichen Vorgarten führte uns zum Gebäude, an dessen Rezeption wir von einer freundlichen, italienischen Dame begrüßt wurden. Eine Verwechslung was unser Zimmer anging hielt uns auf, doch das regelte sich bald und wir bekamen unsere Bettwäsche, sowie einen Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt. Das Zimmer teilten wir uns in der ersten Nacht mit zwei Personen. Das Badezimmerlicht funktionierte nicht, aber alles in allem handelte es sich um einen ordentlichen Raum.
Da wir beide motiviert waren, verharrten wir nicht lange und machten uns auf in die Innenstadt. Per U-Bahn gelangten wir ins Zentrum, wo wir unseren ersten Stopp auf dem Piazza Duomo machten. Der Dom ragte imposant über uns empor, direkt daneben eine riesige, mit Glas überdachte Einkaufsstraße. Umzingelt von prunkvollen Steinbauwerken, ging die massige Reiterstatue in der Mitte des Platzes beinahe unter. In einer nachfolgenden Recherche fand ich heraus, dass es sich bei dem Reiter um Vittorio Emanuele II handelt. Getragen wird er von der piemontesischen Armee zur Zeit des zweiten Unabhängigkeitskrieges. Auf den Marmorstufen davor liegen zwei Löwen, welche ihre Pfoten jeweils auf einem Schild mit der Inschrift Roma und Milano platziert haben. Dies bezieht sich wohl auf die Vereinigung Italiens.
Den Rest des Tages erkundeten wir die Straßen der Umgebung. Soweit wir auch liefen, die pompösen Bauten fanden kein Ende. Säulen, Tore und Statuen begleiteten uns, gesäumt von einer geradezu überquellenden Begrünung. Vorbei an Markennamen wie Prada, Dior und Armani führten unsere Schritte uns schließlich zur Universität. Die Säulen und Statuen die uns dort willkommen hießen, stellten kaum eine Überraschung dar. Sie geleiteten uns auch zu dem botanischen Garten. Vergleichsweise klein, ruhig und gemütlich, gab er mir das Gefühl eine andere Welt betreten zu haben. Eine Welt mit kleinen Kiespfaden, Beten und Bäumen und einem alten, rostigen Observatorium.
Zum Abend, setzten wir uns in ein nicht ganz so teures Restaurant und schlossen den Tag mit fettiger Pizza.
An Tag zwei entschieden wir es ruhig zu halten. Wir spazierten über den menschengemachten Grashügel des Aston-Martin-Parks, aßen in einem kleinen Lokal Frühstück und statteten uns in einem nahen Lidl mit Snacks und Wein aus. So verbrachten wir unseren restlichen Tag mit Hängematte und Picknickdecke im Hostelgarten und ließen uns von der Sonne bescheinen.
Tag drei hatten wir uns auserkoren, ein weiteres Mal die Innenstadt auf uns zu nehmen. Der grobe Plan war, uns ein paar Kirchen anzusehen, wobei wir hofften, „das letzte Abendmal“ von Leonardo da Vinci zu Gesicht bekommen zu können, welches in der Santa Maria ausgestellt ist. Leider stellte sich heraus, dass wir dafür Monate im Voraus hätten reservieren müssen. Das Hauptgebäude der Kirche war aber frei zugänglich. Im Innenraum erstreckten sich staunenswerte Verzierungen, welche die Außenseite beinahe simpel wirken ließen. Weiter ging es durch einen kleinen Garten, hin zu einer Kapelle, deren Decke, mit Sternen bemalt, den Anschein eines Nachthimmels erweckte.
Hinaus, in die strahlende Sonne, führten unsere Füße uns zu einem Platz auf dem ein Bogen stand, der stark an den „Arc de Triomphe“ in Paris erinnerte. Zudem sagte der Schriftzug hoch oben etwas von Napoleon. Darauf werde ich später noch einmal zurückkommen. Zunächst ging es in einen nahen Park, wo wir eine Rast machten. Dort nahm die Neugier schließlich überhand und wir fanden heraus, dass der Bogen als Friedensbogen bekannt ist. Der Bau begann ursprünglich unter Napoleon, welcher sich einst zum König Italien gemacht und Milan zur Hauptstadt erklärt hatte. Er war ursprünglich als Triumphbogen und neues Eingangstor in die Stadt geplant. Von Paris aus führt eine Straße geradewegs hindurch. Jedoch wurde der Bogen zu seiner Zeit nicht fertig gestellt. Erst nachdem Napoleon besiegt und der „europäische Frieden“ wieder hergestellt war, wurde das Kunstwerk, nun als „Arco della Pace“ vervollständigt.
Es stellte sich heraus, dass der Park, in dem wir uns befanden, noch einige weitere Relikte aus Napoleons Zeit beinhaltete. Beispielsweise ein Amphitheater, unser nächstes Ziel. In einer geführten Tour erfuhren wir, wie Napoleon nicht nur einen neuen Eingang für Milan, sondern auch eine ganze Stadt innerhalb der Stadt für seine Zwecke geplant hatte. Dazu gehört neben dem Amphitheater und dem Eingangstor ein riesiges Schloss, sowie einige kleinere Bauten. Die Stadt sollte in der Form eines Kreises sein, was heute noch gut, an den rund angelegten Häusern, welche das Schloss umringen erkennbar ist. Aber zurück zum Amphitheater und der Tour. Eine Treppe führte uns zunächst in einen reichlich verzierten Raum, welcher damals als Empfangsraum für Napoleon und andere hochrangige Persönlichkeiten genutzt wurde. Die Wände sind geschmückt mit einer Umrandung von gemalten Menschen, welche auf der einen Seite den Sport darstellen und auf der anderen Seite einem Altar zugewandt sind. Dieser befindet sich mittig über dem Eingang zum Balkon, welcher Aussicht über den Schauplatz gewährt. Die Malerei ist mit einer Technik gefertigt, die sie plastisch erscheinen lässt. Nach dem Sieg über Napoleon, wurden einige Teile von ihr zerstört, welche später mit einer anderen Maltechnik wiederhergestellt wurden. Selbst neben diesen vereinzelten Stellen wirkt der Rest noch überraschend dreidimensional.
Heute steht der Raum leer, doch damals stand, wie uns die Touristenführerin erzählte, ein großer Tisch in seinem Zentrum, an welchem die hohen Persönlichkeiten platznehmen und bedient werden konnten, beschienen von einem prunkvollen Kronenleuchter. Wenn dann die Spiele starteten, begaben sie sich auf den Balkon. Napoleon mochte es sich dort oben zujubeln zu lassen.
Typisch für ein Amphitheater fanden hier hauptsächlich Kriegsspiele statt. Damals ließ sich die Arena sogar fluten, um Bootskämpfe zu gewähren. Heute ist es ein Sport- und Versammlungsort.
Zum Ende der Tour, gab uns unsere Führerin noch ein paar Tipps für Orte, die wir besuchen könnten. Sie erzählte uns, dass das kulturelle Zentrum Milans verlagert ist. Wir hatten bereits beim Schlendern durch die Innenstadt bemerkt, dass es dort kaum Bars gibt. Diese befinden sich nämlich im Navigli-Viertel. Ein Ort, bekannt für sein Nachtleben.
Unser neuer Plan war nun, Napoleons Schloss ansehen, das genannte Viertel aufsuchen und auf dem Weg vielleicht ein paar Kirchen ansehen und durch die Glasüberdachte Einkaufsstraße zu spazieren. Doch zu allererst wollten wir die Meerjungfrauenbrücke finden. Es handelt sich dabei um eines der Bauwerke unter Napoleon. Die Brücke ist geschmückt mit vier nackten Meerjungfrauen. Nun war zu der Zeit ihrer Erbauung, der Katholizismus noch einflussreicher als heute und, wie es damals war, wurde Nacktheit nicht besonders gut angesehen. Die Lösung war, diese Brücke mithilfe von Bäumen und Gestrüpp zu verstecken, was sie auch jetzt noch schwer zu finden macht, wenn man nicht weiß, dass sie da ist. Gewappnet mit diesen Informationen, fanden wir sie beinahe auf Anhieb. Wie versprochen saßen vier nackte Meerjungfrauen auf ihren Pfosten, wobei sie etwas kleiner war, als ich erwartet hatte. Ich mache unsere bisherigen Erfahrungen dafür verantwortlich.
Nach diesem Abstecher, machten wir uns auf den direkten Weg zu dem Schloss. Im Gegensatz zur Brücke, ist dieses überhaupt nicht schwer auszumachen. Seine Mauer reicht beinahe über ein ganzes Sichtfeld und umso Näher wir kamen, umso beeindruckender wurde es.
Um ins Innere zu gelangen, überquerten wir einen ausgetrockneten Burggraben, von wo aus wir von gigantischem Innenhof zu gigantischem Innenhof geführt wurden. Wir entschieden, es dabei zu belassen und verließen das Gemäuer auf der anderen Seite. Uns erwartete ein Springbrunnen, in einer, der Umgebung angepassten Größe, sowie die gerundeten Häuser, von denen uns erzählt worden war. Hier machten wir noch einmal eine kleine Pause, und kühlten uns mit dem Brunnenwasser.
Die Einkaufsstraße bot wenig Überraschung. Teure Markengeschäfte und Restaurants zu alles Seiten, über uns das, im Einzelnen, erstaunlich, im Kontext der restlichen Stadt, durchschnittlich schöne Glasdach. Und zur Krönung eine Statue Leonardo da Vincis.
An diesem Punkt war die Erschöpfung groß genug, dass wir beschlossen uns direkt auf den Weg zum Navigli-Viertel zu machen und die Kirchen im Vorbeigehen begutachten würden. Gesagt getan. Ein Park, ein paar Kirchen und einige Steinbögen später, waren wir da. Der Kanal glitzerte einladend in der Sonne und kühle Getränke lockten, sich zu setzen. Das taten wir. So endete unser letzter Abend in Milan.
Die Eindrücke, die diese Reise bei mir hinterlassen hat, fallen mir nur schwer auszudrücken. So absurd wirkte alles auf mich. Mal fühlte ich mich in einer dystopischen Zukunft, mal in der Vergangenheit und Mal in einem komplett anderen Universum. Ich finde, das Amphitheater, in dem Schulsport betrieben wird, fasst meinen Eindruck Milans ganz gut zusammen. Banale Dinge nehmen fantastische Ausmaße an, so weit, dass kaum etwas noch besonders erscheint. Wobei für das perfekte Beispiel, das Amphitheater wahrscheinlich Armani-Theater oder etwas derartiges heißen müsste.
Zusammengefasst: Milan ist eine Stätte von Kirche und Reichtum, wie ich es noch nie auf einen Ort kondensiert gesehen habe. Wer ein Interesse an Kunst, Architektur oder Geschichte mitbringt, kann dort sicher nichts falsch machen. Ich persönlich würde allein für die Pflanzen und die Eidechsen wiederkommen. Ich kann nur empfehlen, es sich mit eigenen Augen anzusehen, aber vergesst nicht, Pausen einzuplanen. Körper und Sinne werden, besonders in der Innenstadt, beansprucht.








