Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Sprachliche Bilder

Kondensierte Kommunikation und Auflockerung.

 

Ich mag diese Verbindung von Sprache und Bildhaftigkeit. Da werden zwei Bereiche miteinander verknüpft, die nicht unbedingt zusammenpassen. Dabei kommt es zu Über­schneidungen, die eine neue Sinnhaftigkeit enthalten. Es wird seit einiger Zeit ja gerne vom sogenannten „Quantensprung“ geredet, wenn eine reale oder vermeintliche Grenze massiv überschritten wird. Allerdings ist dieses Bild ein wenig schief, denn ein Quantensprung ist in der Physik ein eher sehr kleines Maß.

Ein ebenso gerne genutztes Bild ist das der Lohn-Preis-Spirale. Ein aus zwei Gründen eher fragwürdiges Bild, da damit zugleich ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis angedeutet oder gar konstatiert wird. Gerade jetzt bei anziehenden Preisen und nur moderat steigenden Löhnen ist diese Reihenfolge sehr fragwürdig. Der zweite Punkt: Es ist gar keine Spirale gemeint, sondern eine Wendel. Eine Spirale ist ein Objekt der ebenen Geometrie, die entweder gleichmäßig nach außen wächst (arithmetisch) oder in sich weitenden Abständen (geo­metrisch). Ich kann nur vermuten, daß es sich dabei um eine nachlässige Über­tragung aus dem Englischen handelt. „To spiral down“ bedeutet, eine Wendeltreppe herab­zusteigen.

Aber das sind natürlich Ausreißer. Im Allgemeinen sind solche Bilder sprachliche Verdich­tungen von Sach­verhalten. „Ins gemachte Nest setzen“ bedarf keiner weiteren Erklärung, „Zittern wie Espenlaub“ tut man nur bei großer Kälte oder vor Angst.

Visuelle Eindrücke wirken sehr stark. Daher geht von solchen sprachlichen Bildern auch eine Betonung des Sachverhalts aus, manchmal auch eine Wertung. Das eben erwähnte „ins gemacht Nest setzen“ sagt ja klar, daß da jemand ohne eigene Anstrengung einen Vorteil genießt. Ob das dann tadelnd oder neidisch gesagt wird, hängt von der Situation ab.

Auch wenn die Bedeutung solcher Bilder meist klar ist, ist ihre Entstehung nicht immer so einleuchtend. Warum man sich einen „schlanken Fuß“ macht, wenn man sich einer Situation entzieht, leuchtet mir nicht so recht ein. Auch wenn etwas „in die Binsen“ geht, ist das dem Wortsinn und unserem Alltag doch ein wenig fern.

 Ich erinnere mich an die Werbekampagne in einer englischen Zeitschrift, in der solche Bilder wortwörtlich genommen wurden. Bei „Ein Sturm im Wasserglas“ (englisch: „Storm in a tea cup“) war eine Tasse zu sehen, in dem ein Segelschiff sich durch den Sturm kämpfte.

Manchmal „redet jemand wie ein Buch“, aber das Gesagte kann uns trotz der Wortfülle ein „Buch mit sieben Siegeln“ bleiben.

Solche Redewendungen sind uns so geläufig, daß wir sie beim Sprechen oft kaum wahr­nehmen, eben weil sie uns so vertraut sind. Sie transportieren mit wenigen Worten eine Menge Inhalt, der über den Wortlaut deutlich hinausreicht. Kondensierte Kommunikation und Auflockerung.