Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Bargeld

Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, daß sie nicht hinter dir her sind.
Warum hat Geld mehr Freiheitsrechte als ein Mensch? Ich laß´ die Frage einfach mal so stehen.

„Bargeld lacht“, hieß ein Slogan, an dessen Herkunft ich mich nicht mehr erinnere. Von der alten DM sind noch umgerechnet 6,5 Milliarden € als Scheine oder Münzen im Besitz der Bundesbürger. Geld also, das keinerlei Verkehrswert mehr hat.

In der letzten Zeit sind wiederholt Überlegungen laut geworden, das Bargeld völlig abzuschaffen, und wenn ich mir beim Einkauf an der Kasse anschaue, wie oft da mit der Karte statt bar bezahlt wird, scheint diese Überlegung gar nicht so wirklichkeitsfremd zu sein.

Ich lehne die Abschaffung dennoch ab. Warum?

Der für mich wichtigste Punkt: Bargeld ist anonym. Ob ich will oder nicht, ich hinterlasse tagtäglich eine unterschiedlich breite Datenspur und da ich in der Hinsicht sehr zurückhaltend bin, vermeide ich überflüssige Fußstapfen. Wenn ich noch mal auf die Situation an der Kasse zurückkomme: So wahnsinnig viel schneller geht es nicht, und ich bin beim Einkauf und nicht auf der Flucht. Natürlich bin auch ich genervt, wenn jemand an der Kasse steht und im Portemonnaie nach Kleingeld wühlt – nur, um dann doch mit einem Schein zu bezahlen. Aber mein Bargeld läßt sich nicht zurückverfolgen und ich frage mich, ob den Benutzern von Konto- oder Payback-Karte etc. wirklich bewußt ist, was sie damit an Daten zurücklassen. Denn die Betreiber aller möglichen Rabattkarten tun dies ja nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern weil es sich für sie rentiert. Worin besteht diese Rendite? Aus den persönlichen Daten, aus denen sich z. B. ein Verhaltensprofil beim Einkauf ableiten läßt und damit eine gezieltere Werbeansprache.

Ich gebe zu: In der Hinsicht bin ich etwas paranoid. Aber ich bin da einer Meinung mit Woody Allen: Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, daß sie nicht hinter dir her sind. Ich achte nun einmal sehr auf meine Privatheit; sie ist mir gewissermaßen heilig.

Ein anderer Punkt, der meiner Meinung nach für das Bargeld spricht: Geld, das ich nicht in der Hand habe, kann ich nicht ausgeben. Das erleichtert – mir zumindest – die Übersicht über die Finanzen. Ich weiß von mir selbst, wie leicht manche Ausgabe aus dem Bewußtsein sickert – hier mal ein paar Euro und woanders ein paar mehr. Für sich genommen nicht erheblich, aber in der Summe durchaus spürbar. In der Hinsicht lege ich mir selbst gegenüber ein gerüttelt Maß an Vorsicht an den Tag.

Laut einer Statistik vom Bundesamt für politische Bildung waren etwa ein Siebtel (14,3%) aller Überschuldungen 2019 auf „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ zurückzuführen. Leider wur-de nicht weiter ausgeführt, welche Kriterien dafür galten. Aber ein lässiges „Heute bestellen, später zahlen“ gehört wohl dazu.

Bargeld hat für mich aber auch eine sinnliche Komponente: Ich kann es fühlen, anfassen. Eine Kontoauskunft an einem Geldautomaten bietet nur Zahlen, ist also extrem unsinnlich. Was ich in der Hand halte, gebe ich nicht so ohne Weiteres her. Das ist nur ein grober Anhalt, aber es wird wohl verständlich, was ich meine.

Weil ich gerade den sinnlichen Aspekt angesprochen habe: Geldscheine haben auch einen ästhetischen Wert, vor allem, wenn man einmal über den Tellerrand des Euro hinausschaut. Da ist, auch wegen der Fälschungssicherheit, einiger Aufwand betrieben worden. Verwunderlich nur, daß die Gebäude, die auf den Euro-Scheinen abgebildet sind, keine reale Vorlage haben. Sie sind schlicht erfunden.

Es erscheint vielleicht ein wenig abwegig, wenn ich in dem Zusammenhang auf die mehr oder weniger restriktive Haltung fast aller Staaten zur Einwanderung komme. Aber eine bargeldlose Überweisung kennt keine Grenzen oder behinderte Einreise. Nicht nur die Gedanken sind frei, auch die internationalen Geldströme. Warum aber hat Geld mehr Freiheitsrechte als ein Mensch? Ich laß‘ die Frage einfach mal so stehen.

Bargeld hat aber in der Geschichte immer wieder zur Falschmünzerei bzw. der Fälschung von Geldnoten geführt. Der Begriff „Falschmünzer“ ist geradezu ein Synonym für Unehrlichkeit.

Der heutige Aufwand bei der Herstellung von Münzen ist immens. Es mutet geradezu absurd an, daß die Herstellung der 1 bzw. 2 Cent-Münzen mehr kostet als dem Nominalwert entspricht. Meine persönliche Hoffnung bei der Umstellung auf den Euro war es, daß die albernen 99er-Preise der Vergangenheit angehören würden. Warum der Handel diese Chance nicht genutzt hat, verstehe ich nicht. In den Niederlanden werden alle Preise an der Kasse, bezogen auf die Endsumme,  auf 5 bzw. volle 10 Cent auf- oder abgerundet. Es macht ja einen immensen Aufwand, diese relativ wertlosen Münzen vorzuhalten und in der Kasse zu verwalten. Es hätte also alles für ein Ende ihrer Existenz gesprochen. Frage mich niemand, warum es anders gekommen ist. Rational kann man die Gründe wohl nicht nennen.

Eine Anekdote zum Schluß: Der sich ständig in Geldnöten befindliche französische Autor Honoré de Balzac hat sinnigerweise ein Buch mit dem Titel „Von der Kunst, seine Schulden zu bezahlen“ geschrieben. Eine Kunst, die er nicht sonderlich gut beherrschte und ohne seine Mäzenin Madame Hanska wäre es ihm wohl übel ergangen. Ein anderer Satz von ihm paßt wohl mehr zu seinem lockeren Umgang mit dem Geld: Geld ist flach zum Stapeln für den, der es verdient und rund zum Rollen für den, der es ausgibt. Er verstand sich eindeutig besser auf den zweiten Teil…