Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Endzeit

Es gibt zwei Geheimnisse, die wir wohl nie lösen werden: den Ursprung und das Ende der Welt.

Über Beides gibt es in den Religionen die unterschiedlichsten Vorstellungen. Oft ist das Ende der Welt mit der Vorstellung einer endgültigen Bewertung des individuellen Verhaltens und seiner Belohnung oder entsprechender Strafe verbunden, eines Weltgerichts.

Die Naturwissenschaft sieht das etwa nüchterner. Sie kann dazu keine endgültigen Aussagen machen, weil es auch in ihr quasi „Glaubensfragen“ gibt. Da ist die Frage, ob sich das Universum unendlich weiter ausdehnt oder sich ab einem bestimmten Punkt wieder zusammen­zieht. Darauf lassen sich nach heutigem Stand der Forschung keine endgültigen Antworten geben.

Für den Alltag ist das auch unerheblich, da unsere Lebenspanne zu kurz ist. Salopp gesagt: das Ende des Universums kann uns herzlich egal sein. Wie steht es um die Erde? Da wird es schon kitzliger. Es läßt sich zwar nur abschätzen, wann es so weit ist, aber irgendwann wird die Sonne die Wasserstoff-Vorräte zu Helium fusioniert haben und unter dem Druck der eigenen Schwer­kraft in sich zusammenfallen. Bis dahin hat es aber noch einige Millionen Jahre.

Wie sieht es aber mit dem Umgang von uns Menschen mit der Erde aus? Das ist schon wesentlich kritischer. Im Laufe der Jahrmillionen hat es gewaltige Veränderung gegeben: die Drift der Kontinente, die Höhe des Meeresspiegels usw. Da ist der Mensch nicht ganz ohne Einfluß und manche betrachten die gegenwärtige Epoche sogar als „Anthropozän“, also als Zeitalter des Menschen.

Als besonders gute Sachwalter der Erde kann man uns Menschen kaum bezeichnen. Das liegt auch an den Religionen. Sie weisen dem Menschen eine Sonderstellung ein und ordnen die Natur ihm unter. Die fatalen Folgen dieser Einstellung werden langsam sichtbar. Es hat Jahrmillionen gebraucht, um z. B. Steinkohle und Erdöl entstehen zu lassen. Der Konsum dieser endlichen Ressourcen hat vor allem durch die Industrialsierung sehr stark zuge­nom­men. Seit einiger Zeit erfahren wir ja, wann wir kalendarisch schon unser Deputat an Ressourcen für ein Jahr verbraucht haben, und der Punkt wird immer früher erreicht. Mit anderen Worten: Wir leben ständig und zunehmend über unsere ökologischen Verhältnisse.

In einem geschlossenen System kann es kein unbegrenztes Wachstum geben. Das ist so einleuchtend, daß es schon verwundert, daß wir in unserem alltäglichen Verhalten krass gegen diese Einsicht verstoßen. Wie sehr dies in unserem Denken verankert ist, zeigt für mich ein Werbespot für ein Elektro-Auto. An sich ja ganz vernünftig, denkt man sich zuerst. Dann wird, quasi im Abspann, die Motorleistung  eingeblendet: 220 PS. Die brauche ich im Stadt­verkehr unbedingt, um schnell in die frei gewordene Parklücke zu huschen.

Das konnte man in den vergangenen Jahrzehnten schon erkennen: Die Motoren und andere Bauteile wurden immer effizienter. Gleichzeitig stiegen Gewicht und Motorleistung stark an, so daß der Effizienzgewinn vollständig aufgezehrt wurde.

Der Begriff „Homo sapiens“ steht angeblich für „verstehender, verständiger" oder „weiser, gescheiter Mensch", und der Neuzeitmensch (also wir) hat sogar ein weiteres „sapiens“ angefügt bekommen: Homo sapiens sapiens. Klüger sind wir dadurch nicht geworden.

Die „Letzte Generation“ legt den Finger in eine Wunde, deren Existenz vielen Menschen gar nicht bewußt sein dürfte. Wenn ich mal von mir ausgehe: Was in 20 Jahren passiert (ich wäre dann – toi, toi, toi – 87) kann mir zwar nicht ganz gleichgültig sein, aber direkt betreffen wird mich das eher am Rande. Wie aber ist es, wenn jemand erst 20 ist und sich mit dem Gedanken auseinandersetzen muß, daß ihm vielleicht nur noch weitere 20 Jahre bleiben, bis sich der Zustand unserer Umwelt radikal ändert?

Es kommt natürlich darauf an, wie diese Änderungen ablaufen werden: Ein fortschreitender Prozeß der Änderung oder erreicht unsere Umwelt einen Kipp-Punkt, an dem sich die Verhältnisse in kürzester Zeit dramatisch ändern? Darüber sind nach heutigem Stand keine verläßlichen Prognosen möglich.

Allein die Möglichkeit eines solchen Umbruchs sollte eigentlich unsere Kräfte bündeln, dies zu verhindern. Ich vermisse aber bei vielen Politikern ein Problembewußtsein dafür. Schutz der Umwelt – ja natürlich. Aber wenn der Strom knapp wird, dürfen auch Braunkohlekraftwerke wieder ans Netz. Da gibt es dann scheinbar übergeordnete Zwänge, denen sich – leider, leider! – keiner entziehen kann.

Mich erinnert das an einen Cartoon, in dem sich zwei Planeten treffen. Die übliche Begrüßung „Wie geht’s?“ erhält die Antwort „Schlecht. Ich habe die Menschen.“

Sind wir heilbar?