Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Evolution

Wer die vorhandenen Ressourcen besser nutzen kann, überlebt und kann sich erfolgreich fortpflan­zen.

Die Idee einer Evolution der Lebewesen ist, geschichtlich gesehen, noch gar nicht so alt, etwa 160 Jahre. Begründet wurde die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Oft wird Evolution als eine fortschreitende Weiterentwicklung mißverstanden, insbesonder bei der Entwicklung des Menschen. Im Kern geht es aber um eine Optimierung in Hinblick auf die Umwelt. Wer die vorhandenen Ressourcen besser nutzen kann, überlebt und kann sich erfolgreich fortpflan­zen.

Es gab in der Entwicklung der Arten auch Brüche und Sackgassen. Das völlige Gegenteil war die „kambrische Explosion“. Das Kambrium begann vor etwa 550 Millionen Jahren. In nur 5 bis 10 Millionen Jahren – erdgeschichtlich ein Wimpernschlag – entwickelten sich die meisten der heute bekannten Arten, aber auch viele, die den Sprung in eine kontinuierliche Entwick­lung nicht schafften. Wenn es eine erdgeschicht­liche Periode gab, in der tatsächlich Wolper­tinger hätten entstehen können, dann war es diese kurze Phase. Was diesen gewal­tigen Anstieg auslöste, ist eine bis heute ungelöste Frage. Ob es sich dabei um eine fast zwangsläu­fige Entwicklung gehandelt hat oder nur um ein glückliches Zusammentreffen bestimmter klimatischer und geologischer Bedingungen handelte, ist durchaus nicht trivial.

Das Weltraumteleskop James Webb hat seine ersten Bilder geliefert, und die Zahl der sogenannten Exoplaneten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, steigt rapide und damit auch die Frage nach Leben auf anderen Planeten. Handelt es sich bei der kambrischen Explosion um eine Zufallsentwicklung, sinkt die Möglichkeit dafür.

Was aus heutiger Sicht merkwürdig ist, ist die hohe Diversität der Entwicklung. Wenn man den genetischen Code als Blaupause betrachtet, dann wurden in der kambrischen Explosion mehrere Baupläne für eine Art herangezogen. Der Unterschied zwischen heutigen Fischen und Vögeln ist deutlich. In der kambrischen Explosion waren diese Unterschiede nicht so scharf gefaßt. Das ergab einen gewaltigen Pool an Entwicklungsmöglichkeiten, die in der Folge zu der uns heute bekannten Tier- und Planzenwelt führte. Und ein weiterer Punkt ist zu bedenken: Nach der kambrischen Explosion entstanden keine neuen Evolutionslinien mehr.

Besonders der letzte Punkt ist für uns heute wichtig: Wir sehen ein verbreitetes Artensterben. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, kappen wir vielleicht den Ast, auf dem wir sitzen, denn es kommt nichts Neues mehr nach. Das läßt diese Entwicklung noch ein wenig bedrohlicher erscheinen.

Wir sind in dieser Frage ein Opfer unserer kurzen Lebensdauer. Was über deren Rahmen hinausreicht, bleibt unübersichtlich. Was aber, wenn sich eine Katastrophe wie das Ausster­ben der Dinosaurier wiederholt? Die Evolution käme auch gut ohne die Menschheit aus – vielleicht sogar besser. Aber für uns ist das doch eine sehr düstere Aussicht. Aber erleben werde ich das ohnehin nicht mehr.