Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Flüchtlinge II

Ich habe mich ja schon einmal zum Thema Flüchtlinge geäußert. Aber leider ist das nach wie vor ein Thema.

Vor allem der aktuelle Umgang mit diesem Thema erregt meinen Zorn und meinen Widerwillen. Es gibt jetzt nämlich „gute“ Flüchtlinge und den Rest, den Bodensatz sozusagen. Die guten Flüchtlinge kommen aus der Ukraine, vielleicht noch aus ein paar anderen Staaten, sind weiß und christlich. Sie werden auf vielfältige Weise in Polen und anderen osteutopäischen Staaten versorgt und natürlich auch in Deutschland mit großer Hilfs­bereitschaft aufgenommen. Das ist ihnen auch von Herzen gegönnt, denn die Flucht vor dem mörderischen Überfall Rußlands und der unsäglichen Begleitumstände ist nur zu verständlich. Allerdings: Nur aus der Ukraine zu kommen, garantiert noch kein Wohlwollen. Wer aus Afrika oder dem Nahen Osten kommt und in der Ukraine gearbeit oder studiert hat, dem schlägt nicht dasselbe Wohlwollen entgegen, sondern mehr das Mißtrauen und die Mißachtung aus rassistischen Gründen.

Wenn ich mir die lange Liste der Vergünstigungen anschaue, dann verwundert es mich schon, wie anders diese Flüchtlinge behandelt werden: Erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen, Anerkennung von Studienabschlüssen usw. Das sollte dann allerdings auch für alle gelten. Es werden 100 Milliarden in die Aufrüstung der Bundeswehr gesteckt. Aber wenn es um Menschen geht, erwacht in den Politikern der Sparfuchs.

Ich habe erst in der letzen Woche eine Bericht darüber gehört, welch großen Hindernissen Asylbewerber begegnen können, wenn z. B. nur die Schreibweise des Namens nicht eindeutig ist und welche Ursachen das haben kann. Unterstellt wird aber sofort eine bewußte Täuschung. Dabei ist die Transskription von Namen aus verschiedenen Sprachsystemen nicht ohne Tücken. Ich erinnere daran, daß das heutige Beijing auf Deutsch jahrzehntelang Peking hieß. Aber wenn ein solcher Fehler bei einem Namen auftritt, der einem Menschen gehört, dann liegt der Fall natürlich ganz anders.

Es ist mir klar, daß es auch Betrugsfälle gibt. Schließlich hat Deutschland nicht das Monopol auf Drecksäcke. Aber ein Mensch, der vor dem drohenden Tod flieht, ist erst einmal ein Mensch, der das Recht auf Leben hat und seine Hautfarbe, Religion oder Geschlecht sind in dem Fall unerheblich.

Um jetzt nicht nur den Nörgler herauszukehren: Auch ich habe Vorbehalte und bin im Umgang mit Ausländern bzw. Flüchtlingen nicht unbefangen. Schon oftmals fehlende Verständigungs-möglichkeiten sind hinderlich. Aber ich lasse mir durch diese Befangenheit mein Verhalten nicht in vollem Umfang diktieren. Da hilft mir dann meine ausgeprägte Neugier: Was fühlt und denkt dieser Fremde? Und dann stellt man im Gespräch ganz schnell fest, daß es neben Trennendem auch viel Gemeinsames, Verbindendes gibt.

Ich kann mich noch daran erinnern, daß „der Grieche“ (oder Italiener oder …) noch etwas geradezu Exotisches in das Einerlei der Imbiss-Buden mit „Pommes rot-weiß“ brachte. Heute ist das im Straßenbild eher die Normalität, ergänzt durch eine ganze Reihe anderer kulina­rischer Angebote. Aber wissen wir darüber hinaus wirklich etwas über die Menschen, die dahinter stehen? Bei mir ist das jedenfalls eher nicht der Fall.

Das führt mich zu einem Begriff, der meist in einem negativen Kontext gesehen wird, dem der „Parallel-Gesellschaften“. Allerdings glaube ich, daß damit eigentlich ein anderer Begriff gemeint ist: „Separat-Gesellschaften“. Parallele Strukturen hat es in unserer Gesellschaft nämlich schon immer gegeben, nur wurden sie nicht so benannt. Man denke nur an Kegel- und Gesangsvereine oder Taubenzüchter. Die haben zwar ein gewisses Eigenleben, sind aber durchaus von dieser Welt.

Anders dagegen die Bestrebungen, sich von der Mehrheitsgesellschaft deutlich abzugrenzen und den Kontakt mit ihr möglichst zu vermeiden. Die neuen Kommunikations-Möglichkeiten arbeiten solchen Bestrebungen ja zu, denn in der eigenen „Blase“ ist man ja von allen Anfech­tungen fern und bewegt sich im selben Rahmen.

Aber was unterscheidet solche Blasen von der der Trump-Anhänger, die immer noch der Überzeugung sind, er habe die Wahl gewonnen und Biden den Sieg gestohlen? Die sind im Gegensatz zu den oben genannten sehr daran interessiert, die Welt nach ihren Vorstel­lungen nicht nur zu sehen, sondern auch entsprechend umzugestalten und damit in die Gesellschaft einzuwirken.

Ich bin mir nicht sicher, welche der beiden Formen für die Mehrheitsgesellschaft gefährlicher ist, unbegreiflich bleiben mir beide.