Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Frauen

Also ehrlich: Hatte Adam, angeblich Gottes primäre menschliche Schöpfung, nicht genug Verstand und Eigenständigkeit, sondern mußte sich hinter Eva und ihrer Entscheidung verstecken? Eine ganz schwache Performance als Mann.

Der erste Satz, der mir zu diesem Thema einfällt, stammt von Oscar Wilde: „Frauen kann man nicht verstehen. Man muß sie einfach nur anbeten.“ Ob dieser Rat – ausgerechnet von einem bekennenden Homosexuellen – wirklich trägt? Zweifel sind angebracht.

Vorab also eine Klarstellung: Ich schätze Frauen, denn die wichtigsten Impulse in meinem Leben kamen von Frauen. Auch die negativen. Da ich immer noch ein positives Frauenbild habe, überwiegen offenbar die Impulse, die mich menschlich wachsen ließen. Das heißt aber nicht, daß ich Frauen quasi auf ein Podest stelle. (Obwohl sie manchmal darauf gehören.)

Frauen machen mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus, finden sich öffentlich aber oft in einer marginalisierten Position wieder. Die „gläserne Decke“ ist nicht meine Erfindung und könnte es auch nie sein. Wenn ich auf die Qualität der Hochschulabschlüsse schaue, kann ich mich nur wundern, wieso so wenigen Frauen eine entsprechende Karriere gelingt. An fachlichem Wissen und Persönlichkeit kann es wohl nicht liegen, sondern eher an den von Männern etablierten Machtstrukturen.

Wahrscheinlich ist nicht nur mir in den vergangenen Monaten aufgefallen, wie wertgeschätzt plötzlich Pflegekräfte und sogar die Frauen an der Kasse des Discounters waren. Hat sich das gehalten? Ich würde rot anlaufen, wenn ich das behauptete. Sobald es nämlich um eine angemessenere Bezahlung, bessere Aufstiegschancen etc. geht, sind die Frauen nicht mehr gar so wertgeschätzt. Wertvoll ja, aber nur in Grenzen. Haben Sie es schon mal erlebt, daß ein Mann in einem Interview gefragt wurde, wie er denn Beruf und Familie unter einen Hut bringt? Dabei ist die Antwort ganz einfach: Er überläßt die Hauptarbeit im Haushalt seiner Frau und ist schon richtig stolz, wenn er regelmäßig den Müll runterträgt.

Das ist natürlich überspitzt formuliert, trifft aber den Kern der Sache. Parteiversammlungen finden, vor allem in Ortsvereinen, eher abends statt. Auch andere Strukturen, wie z. B. die Öffnungszeiten von Kitas und Schulen sind nicht darauf ausgerichtet, Frauen gerecht zu werden, vor allem, wenn sie alleinerziehend sind. Von der Arbeitswelt gar nicht erst zu sprechen.

Eine andere Zahl ist ebenfalls beredt: Jeden dritten Tag kommt eine Frau in einer Paarbeziehung gewaltsam zu Tode. Ein sozialer Raum, der Schutz gewähren sollte, als Todesfalle. Warum, zum Teufel, ist das nicht stärker in der öffentlichen Diskussion? Warum wird Gewalt gegen Frauen oft als ein Problem der sozialen Schichtung betrachtet, wo doch hinreichend bekannt ist, daß sich diese Gewalt in allen sozialen Gruppen findet? Die Akademikerin ist dagegen nicht besser gewappnet als die Erzieherin oder Kassiererin.

Ich stehe da vor dem Problem, Gewalt einfach nicht zu verstehen. Fürchten tue ich sie schon, denn in der Zeit meiner Obdachlosigkeit bin ich Opfer eines Überfalls geworden. Aber nichts und niemand könnte mich dazu bringen, gegen einen anderen Menschen Gewalt auszuüben – wenn es nicht in des Wortes wahrer Bedeutung um Leben oder Tod ginge.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. „Frauen sind etwas Besonderes. Sie können Leben produzieren. Sie stehen mitten im Strom des Lebens. Der Mann steht bestenfalls am Ufer und schaut ihnen dabei zu.“  (Frédérick Leboyer). Um es mal auf den Alltag runterzubrechen: Verglichen mit den Monaten der Schwangerschaft der Frau ist der zeitliche Einsatz eines Mannes bei der Zeugung doch eher bescheiden. Ich frage mich manchmal, ob die in vielen Kulturen (sind es dann welche?) verbreitete Frauenfeindlichkeit nicht genau darin ihren Ursprung hat: Woran ich nicht in direkter Weise beteiligt bin, das muß ich verächtlich machen. Vielleicht ist das zu kurz gesprungen, aber ich bin ja auch nur ein Mann, der sich so seine Gedanken macht.

Dieser Satz Leboyers trifft sich mit einem anderen Zitat der Künstlerin Meret Oppenheim. Sie sagte in einem Interview, man solle doch bitte nicht vergessen, daß es Eva war, die als erste von den Früchten vom Baum der Erkenntnis aß. So gesehen war Adam nur Epigone, und ein ziemlich unloyaler dazu: Herr, das Weib, das du mir gegeben hast, hieß mich…

Also ehrlich: Hatte Adam, angeblich Gottes primäre menschliche Schöpfung, nicht genug Verstand und Eigenständigkeit, sondern mußte sich hinter Eva und ihrer Entscheidung verstecken? Eine ganz schwache Performance als Mann.

Eine – wahrscheinlich nur Männer – überraschende Erkenntnis gab es bei Untersuchungen der Entwicklungshilfe. Gab man entsprechende Gelder direkt den Frauen, war die Effizienz deutlich größer, als wenn es den Männern gegeben wurde.

Als Gott den Mann schuf, hat SIE nur geübt. Dieses Bonmot ist vielleicht näher an der Realität als der Mythos des überlegenen männlichen Intellekts.