Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Freie Software

Free software isn´t like free pizza. It´s more like free speech.

Was ist Freie Software? Richard Stallman hat dazu einmal gesagt: Free software isn´t like free pizza. It´s more like free speech. (Etwa: Freie Software ist nicht wie kostenlose Pizza. Sie ist mehr wie das Recht auf freie Rede.)

An diesem Satz kann man schon sehen, daß freie Software nicht nur mit kostenloser Software alleine daherkommt. Ich bin schon seit geraumer Zeit bekennender Linuxer und auch wenn ich hier in der Medienwerkstatt nicht um Microsoft herumkomme (Warum eigentlich?), bei mir auf meinen privaten Rechner kommt mir kein Programm aus dem Hause Microsoft. Warum ist das so?

Der erste Punkt ist der, daß Microsoft durch seine Geschäftspolitik viele andere – und bessere – Systeme vom Markt verdrängt hat. Ich erinnere mit noch an Rechner wie den Atari ST oder den Commodore Amiga, an die die sogenannten PCs nicht heranreichen konnten. Atari hatte mit seinem Rechner ein wirklich gutes System mit grafischer Benutzeroberfläche und einem Monitor, auf dem die Schrift wie gedruckt aussah, als man sich als Benutzer von MSDOS (bis zur ersten Windows-Version dauerte es noch) mit CGA-Grafikkarten herumschlagen mußte, die zwar eine farbige Textdarstellung ermöglichten, aber auch nicht mehr.

Um es mal denen deutlich zu machen, die diese Zeit nicht erlebt haben: Wenn ich z. B. ein Wort oder eine Zeile im Fettdruck sehen wollte, war dies auf dem Bildschirm nur als farbige Hervorhebung erkennbar, nicht aber als Schriftdarstellung. Das erinnert mich an meine ersten Gehversuche mit Computern auf dem CPC 6128 und WordStar, bei dem ebenfalls nur Steuercodes eingegeben werden konnten, um die Darstellung im Druck festzulegen. Damals gab es nur Nadeldrucker; Standard waren 9 Nadeln. Ein 24-Nadel-Drucker war reinster Luxus. Mein erster Drucker kostete etwa 650 DM. Es war ja auch viel Mechanik verbaut.

Das klingt wie aus der Steinzeit, und so war es gewissermaßen auch. Mein CPC 6128 hatte gerade mal 2 x 64 kB an Speicher. Die ersten PCs waren mit 512 kB nicht viel komfortabler ausgestattet und nur mit diversen technischen Tricks auf 640 kB erweiterbar. (Jetzt möchte ich Ihr ungläubiges Gesicht sehen!)

Das war also alles noch weit von den heutigen Standards entfernt. Aber es funktionierte.

Der Apple Macintosh war sozusagen der Rolls Royce unter den Systemen mit grafischer Benut­zeroberfläche, und Windows kam nie an die Leistungsdaten eines Mac heran.

Soweit mein Ausflug in die Geschichte.

Ein weiterer Gesichtspunkt bei freier Software: Sie gehört mir. Mein Linux – egal welche Distribution ich wähle – ist mein Linux. Wenn Sie als Windows-Anwender meinen, das sei bei Ihnen doch genau so, sollten Sie mal einen Blick in die EULA (End User License Agreement) werfen. Mit Windows erhält man nur eine Nutzerlizenz, erwirbt aber kein Eigentum an dem Betriebssystem.

Es gibt mittlerweile auch viele Programme für Windows-Rechner, die frei sind. Meine Erfahrung mit Linux ist einfach so, daß ich für jeden Zweck bestimmt ein Dutzend oder mehr Programme finde. Das macht es manchmal schwierig, die richtige Wahl zu treffen. Ich vergleiche das gern mit der Einrichtung einer Wohnung: Da würde ich auch nicht beliebig verfahren, sondern nach meinem persönlichen Geschmack wählen. Ich habe mittlerweile meinen „Wohlfühl-Rechner“ und die Programmauswahl wird sich nicht mehr wesentlich ändern. Wichtig ist mir dabei eben die Wahlfreiheit.

Es gibt noch ein kleines Detail, das ich bei Windows immer schmerzlich vermißt habe: die virtuellen Desktops. Das bedeutet, ich habe (meist 4) Desktops, zwischen denen ich frei umschalten kann und auf denen verschiedene Programme ihre Fenster platzieren können. Kein mühsames Durchklicke durch die einzelnen Programmfenster oder die Fensterliste, sondern einfach den Desktop wechseln und im gewünschten Programm weiterarbeiten. Außerdem hat Linux noch 7 virtuelle Konsolen. Das sind reine Text-Konsolen; eine grafische Benutzeroberfläche bietet standardmäßig nur die 7. Das liegt daran, daß UNIX/Linux von Anfang an ein Multiuser-System war und ist.

Das besondere an freier Software: Ich kann sie, die entsprechenden Programmier-Kenntnisse vorausgesetzt, verändern und veröffentlichen. Mehr Freiheit geht nicht. Die ist manchmal eben etwas unbequem, aber das ist Freiheit immer.

Lange Zeit war es etwas schwierig, Linux und Windows parallel zu installieren, und das lag nicht an Linux. Ein weiterer Vorteil von Linux: Es gibt bei einer Parallel-Installation kein Problem, Dateien vom jeweiligen Fremdsystem aus zu bearbeiten – zumindest von der Linux-Seite her. Wie das mittlerweile bei Windows aussieht, weiß ich nicht, weil ich kein Windows verwende. Auch das ist für mich ein großer Pluspunkt von Linux: Ein Datenaustausch mit anderen Systemen ist der Normalfall. Ein Beispiel aus der Praxis: Vor einiger Zeit hatte ich mir eine Flash-Disk gekauft und stellte dann fest, daß sie für Windows vorformatiert war. Ich mußte nur ein Programmpaket nachinstallieren, um auf die Flash-Disk zugreifen zu können.

Ich bin, was Windows angeht, nicht auf dem aktuellen Stand, aber ich kann mich an Zeiten erinnern, da es fast unmöglich war, von einem Windows-System aus auf Linux-Partitionen zuzugreifen, weil Windows sie einfach nicht erkannte bzw. erkennen sollte. Windows war der Gott, der keine anderen Götter neben sich duldete.

Windows bietet für mich nur einen Vorteil (wenn es denn einer ist): Seine Verbreitung. Aber das wird mich nicht dazu verführen, das System zu wechseln. Einen Nachteil will ich aber nicht verschweigen: Eine Produkt-Garantie gibt es nicht. Wenn also ein Programm Probleme macht, bleibt nur der Weg über eine Fehlermeldung und die Hoffnung, der/die Programmierer werden ihn beheben. Einen Anspruch darauf habe ich nicht. Allerdings ist mir in den Jahrzehnten mit Linux auch noch kein Programm begegnet, das durch Fehler weitgehend unbrauchbar war.

Linux ist nicht das einzige System, das auf der Basis von UNIX arbeitet. Auch Apple verwendet einen Kernel, der darauf beruht. Der Überbau sieht dann aber anders aus. An freien Varianten wäre noch BSD (Berkeley Software Distribution) zu nennen, sozusagen ein Nischenprodukt in der Nische. Ich kenne mich damit zu wenig aus, um etwas Fundiertes darüber zu sagen.

Was für den Linux-Neuling vielleicht ein wenig verwirrend ist: Die verschiedenen Benutzeroberflächen. Dazu muß ich wohl einiges erklären. Linux ist kein monolithisches System, sondern setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Das ist ein Erbe von UNIX. Damals gab es keine Rechner mit Bildschirmen, die Ausgabe erfolgte oft auf Fernschreibern. Deshalb sind viele Programme auf eine Bedienung von der Konsole ausgerichtet. Es mag irritieren, wenn man sich eine Bearbeitung von Grafiken über Textbefehle vorstellt, aber es geht. Erst später kamen Bildschirme als Ausgabegeräte hinzu und damit auch unterschiedliche Ansätze. Im Endeffekt führte es dazu, daß es verschiedene Display-Manager gab. Allen Systemen gemeinsam ist das X11-System. Dies ist die Basis aller grafischen Oberflächen. Darauf bauen die Display-Manager auf. Die bekanntesten und leistungsfähigsten sind GNOME und KDE, aber auch andere sind noch verbreitet. Wer nicht die neueste Hardware verwendet, braucht nicht auf dem Komfort eines GUI (Graphical User Interface) zu verzichten. Es fällt dann wie bei XFCE oder Openbox etwas bescheidener im Leistungsumfang und grafischen Gimmicks aus, bietet aber alle Basis-Funktionen.

Bei meinem Raspberry ist LXDE installiert. Von der Textverarbeitung bis zum Grafikprogramm funktioniert alles, auch wenn ich auf bestimmte Funktionalität nicht zugreifen kann. Als Rechner für Video-Spiele eignet er sich nicht, aber da liegt auch nicht mein Interesse.

Linux bietet also viele Vorteile und ich kann nur jedem raten, sich mit Linux wenigstens einmal zu beschäftigen. Wer zweifelt, sollte sich vor Augen führen, daß viele Rettungssysteme für Windows, die von CD/DVD booten, auf Linux basieren und mit KNOPPIX steht ein System zur Verfügung, mit dem ich mein System quasi in der Tasche mitführen kann. Das kann ausprobiert werden, ohne das eigene System auf der Festplatte zu verändern. Ein Blick lohnt sich!