Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Hoffnung

Ich hab’s nicht so mit der Religion.

„Hoffen und Harren / hält manchen zum Narren.“ „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Das sind nur zwei Redewendungen, die sich mit der Hoffnung beschäftigen. Sie kann uns also fehlleiten oder in einer bedrängten Lage noch einen gewissen Halt geben.

Hoffnung ist eine Erwartung an Kommendes. Dabei können wir darauf hoffen, daß etwas geschieht – oder eben nicht. Wer ohne Regenschirm unterwegs ist und in den grauen Himmel schaut, hofft auf ein Ausbleiben des Regens. Wer Lotto spielt, hofft auf den großen Gewinn, und mit dem ist die Hoffnung verknüpft, das Leben werde zumindest angenehmer. Wer hat noch nie mit diesem Gedanken gespielt?

Welche Hoffnungen trage ich mit mir herum? Zuerst einmal das Übliche: Gesundheit, und ein langes Leben würde ich auch nicht ausschlagen. Als Sahnehäubchen dann vielleicht noch ein gutes Auskommen mit entsprechend passendem Einkommen. War’s das dann? Im Hinter­grund lauert noch eine andere Hoffnung (unter anderen): Mir ist meine Neugier lieb und ich möchte sie und die Fähigkeit zu staunen für mich bewahren. Ich könnte auch sagen: Ich möchte lebendig bleiben, also leben und nicht nur existieren. („Leben wär‘ eine prima Alternative.“ – Peter Rühmkorf. „Turned on by life is the best kind of high.“ – Julie Driscoll)

Religionen haben für mich ein etwas seltsames Verhältnis zur Hoffnung. Die Hoffnung ist oft auf ein Jenseits gerichtet; die genauere Ausprägung hängt vom Glauben ab. Aber wäre es nicht viel hilfreicher, ein wenig dieser Hoffnungen würden sich auch schon im Diesseits realisieren? Wenn das „Leben nach dem Tod“ so grandios wird – warum bringen sich die Gläubigen nicht einfach um? Wäre doch logisch. Na gut, das Christentum lehnt den Tod von eigener Hand ab. (Warum dann nicht auch den von fremder in einem Krieg?) Nach dieser Logik wäre das Leben eine Bürde – ist irdisches Glück also unerwünscht? Auch nicht so richtig, denn der Fromme soll ja durch ein gottgefälliges Leben erst den Anspruch daruf erwerben und die guten Taten in freudiger Erwartung des üppigen Lohns verrichten. Und wenn ein wenig Wohlstand dabei abfällt, dann doch wohl zu Recht.

Wie das eben Gesagte dezent andeutet: Ich hab’s nicht so mit der Religion. Sie ist für mich nicht mit irgendeiner Hoffnung verbunden, sondern mit einer Abkehr vom Leben. Wer wirklich nach den Regeln einer Religion lebt und seine Mitmenschen nicht als Konkurrenten um das Himmelreich betrachtet und behandelt, hat meinen Respekt. Was ich aber von seiner Denk­fähigkeit halte…

Ich drehe den Spieß mal um: Was wäre mein Leben ohne Hoffnung? Ziemlich arm. Ich erwarte ja noch was. („Ich will noch eine ganze Menge Leben“ – Konstantin Wecker) Das muß ja nicht in jedem Fall etwas Großartiges sein. Eben die kleinen Freuden des Lebens: ein gutes Essen kochen und genießen, ein tolles Buch lesen, dazuzulernen. Leben eben. Aber daß ich großartige Spuren meiner Existenz hinterlasse, darauf kann ich wirklich kaum hoffen. Irgend­wann werde auch ich in den Erinnerungen verblassen und schließlich ganz verschwin­den.

Aber: Vor dem Tod kommt das Leben. Und darauf hoffe ich ganz stark.