Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Wünsche

Es handelt sich um Sachen, die wir für erstrebenswert halten oder schlichtweg notwendig sind.

„Als das Wünschen noch geholfen hat“ begannen die Märchen der Gebrüder Grimm ursprünglich. Und jedem fallen sicher die berühmten drei Wünsche ein, die irgendein Geist, eine Fee oder sonst ein geisterhaftes Wesen gewähren kann. Wie sehr das Wünschen aber auch in die Irre gehen kann, zeigt das Märchen vom Fischer und seiner Frau, deren Unersättlichkeit das Erreichte wieder zunichte machte. Peter Munk aus dem Märchen „Das kalte Herz“ ist eine weitere Figur, die an ihren Wünschen scheitert, weil er sich das Falsche wünscht.

Eine andere Warnung vor den eigenen Wünschen enthält die Verwünschung „Mögen sich alle deine Wünsche erfüllen“, und mir spukt noch eine andere Formulierung durch den Kopf: Wen Gott strafen will, dem erfüllt er seine Wünsche.

Aber normalerweise verbinden wir mit Wünschen etwas durchaus Positives. Es handelt sich um Sachen, die wir für erstrebenswert halten oder schlichtweg notwendig sind. Der Wunsch nach einer bezahlbaren Wohnung, einem Kita-Platz für das Kind oder einer ausgedehnten Urlaubsreise.

Wünsche beziehen sich somit oft auf Dinge, die wir eben noch nicht haben oder auf die wir nicht verzichten möchten. Sie drücken also einen Mangel aus. Dabei ist nicht immer leicht zu sagen, ob dieses Gefühl des Mangels eine reale Grundlage hat. Es bleibt oft auch die Frage, inwieweit die Erfüllung von Wünschen auch wirklich wünschenswert ist, d. h. ob deren Erfüllung mir selbst wirklich hilft oder ob sie mich oder andere beeinträchtigt. Putin wünscht sich bestimmt einen Sieg über die Ukraine – aber diese Erfüllung des Wunsches ist der Ukraine wirklich nicht zu wünschen.

Wünsche können sehr konkret sein. Ich möchte mir ein bestimmtes Buch kaufen, einen netten Abend verbringen. Sie können aber auch bei konkreter Formulierung eher diffus bleiben. Was macht z. B. eine gute Gesundheit aus? Nur das Fehlen von Krankheit oder geht es darüber hinaus? Wohlstand? Wo hört der auf und wo beginnt der Luxus? Das dürfte von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein.

Unseren Wünschen haftet oft auch etwas Magisches an. Wem ist es noch nicht passiert, daß einem einfällt, eine neue Jacke oder ein paar neue Schuhe wären doch wirklich mal wieder nötig – und schon fällt einem in irgendeinem Geschäft genau das passende Teil in die Augen und auch noch zu einem Wahnsinns-Preis! Natürlich liegt der begehrte Gegenstand nicht unseres Wunsches wegen dort, sondern unsere Aufmerksamkeit ist nur etwas anders fokussiert. Aber wer weiß, ob nicht doch mehr dahinter steckt…

Es gibt auch ein „Darknet“ der Wünsche: Verwünschungen. Dornröschens Schloß war mit einem Zauber belegt, also verwunschen. Auch hier wieder das Moment des Magischen. Wer hat noch nicht im Zorn einem anderen irgendein Übel an den Hals gewünscht? Das können wir gefahrlos tun, da solche Wünsche im Allgemeinen nicht allein dadurch Realität werden.

Wie bei vielen Sachen gibt es aber nicht nur diesen Aspekt. Es gibt Momente oder Orte, denen etwas Verwunschenes anhaftet, die also etwas positiv Märchenhaftes haben. Ich erinnere mich an eine Wanderung, die mich immer weiter nach unten in Richtung eines Baches führte. Um mich herum waren nur noch Bäume und Büsche und es hatte eher etwas Unwirkliches, daß es Straßen und Städte außerhalb dieser Gegend überhaupt geben kann.