Der Rote Faden

Von Rolf Mackowiak

Zugzwang

Und da maßen wir uns an, eine stabile Struktur schaffen zu können, die den radioaktiven Müll sicher verwahrt.

Unser Bundesfinanzminister hat nach Olaf Scholz‘ Machtwort davon geredet, man werde nun an einem Strang ziehen. Ich fürchte nur, daß sich das auf die Schlinge bezieht, die man mir um den Hals legen will.

Nun will ich Herrn Lindner nicht eine latente Gewaltneigung unterstellen und ein persönliches Motiv kann er mangels Kenntnis meiner Person auch nicht haben. Aber bei gewissen Menschen kann ich ein gewisses Mißtrauen nicht abschütteln. Das ist gewiß.

Politiker wie Herr Lindner sind mir schon wegen ihrer Parteizugehörigkeit suspekt. In der Wolle gefärbte Marktideologen mögen keine anderen Farben und mokieren sich über die Buntscheckigkeit anderer Menschen. Der Satz, Freiheit sei immer die Freiheit des Anders­denkenden wäre doch für die FDP ein toller Grundsatz. Aber nicht marktkonform. „Der Markt“ ist der Fetisch der Markt-Ideologen, und sie erkennen Ideologie bei allen – nur nicht bei sich selbst. Sie sind nämlich sachorientiert. Das ist so ‘ne Sache. Ich glaube ihnen nämlich nicht.

Lindners Tankrabatt war so ein Rohrkrepierer. Eine Entlastung für breite Bevölkerungs­schich­ten war er nämlich nicht und selbst Wirtschaftwissenschaftler betrachen das eher als liberale Folklore denn als wirklich Entlastung.

Dann die Festlegung darauf, die AKWs sollten nicht nur bis zum Frühjahr weiter in Betrieb bleiben, sondern gleich bis 2024 und womöglich noch darüber hinaus. Mein Vorschlag: Stellt Herrn Linder für jeden Monat Laufzeitverlängerung einen Castor in den Garten. Ich möchte wetten, daß das Thema dann ganz schnell vom Tisch wäre.

Das ist polemisch? Aber sicher! Ich habe nämlich bei dem Thema festgestellt, daß sachliche Argumente kaum oder nie verfangen. Fangen wir mal bei den Basics an: dem „billigen Atomstrom“. Warum ist der so billig? Ganz einfach: Weil die Betreiber der Kraftwerke nur unwesentlich an den Kosten für die Entsorgung (Was für ein Euphemismus dafür, daß radioaktiv strahlender Müll schlicht verbuddelt wird!) beteiligt sind. Würde man all diese und weitere mit dem Betrieb verbunden Kosten in Rechnung stellen – man könnte den Stromerzeugern die Kraftwerke kostenlos bereitstellen, und sie würden dankend ablehnen.

Diese Kosten sind nämlich nicht kalkulierbar. Der strahlende Müll verrottet ja nicht, sondern bleibt über riesiege Zeiträume gefährlich, im Extremfall für Jahrmillionen. Um das mal auf einen Maßstab zu bringen: Die Geschichte des Homo sapiens, also uns Neuzeit-Menschen, umfaßt je nach angewandten Kriterien 1 – 2 Millionen Jahre, also etwa den Zeitraum, in dem auch der radioaktive Abfall noch strahlt. Was wir gemeinhin unter Geschichte verstehen, umfaßt ebenso großzügig betrachtet etwa 10.000 Jahre, liegt also im Promille-Bereich der Menschheitsgeschichte. Wie viele Reiche sind in der Zeit nicht entstanden und untergeganen! Und da maßen wir uns an, eine stabile Struktur schaffen zu können, die den radioaktiven Müll sicher verwahrt. Dabei sind geologische Störungen noch nicht einmal einge­rechnet, und ob der nächste Meteoriten-Einschlag auf der Erde freundlicherweise so lange wartet, bis die Radioaktivität abgeklungen ist, setzt ein schon fast religiöses Vertrauen in die Beständigkeit der Welt voraus.