Umstände, denen man lieber nicht begegenen möchte.
Der Rote Faden
Von Rolf Mackowiak
Zumutungen
Eine Zumutung kann eine Forderung sein, die andere Menschen an mich richten. Dabei kann mich das Geforderte überfordern oder es konfrontiert mich mit Umständen, denen ich lieber nicht begegnen möchte.
Als Zumutung empfand ich es, als ich mir vor kurzem ein Smartphone gekauft habe. Nicht den Kauf selbst natürlich, sondern den mickrigen Lieferumfang: kein Ladegerät und nicht mal eine minimalistische Kurzanleitung. Letztere ließ sich vom Smartphone aus herunterladen, ersteres mußte ich zusätzlich kaufen. Was ich nach wie vor als eine Frechheit empfinde, eben als Zumutung. Als Gegenbeispiel dient mir da der Kauf eines Billig-Handys vor einigen Jahren für nicht mal 20 € – aber eben mit Ladegerät. Das wesentlich teurere Smartphone ließ mich da im Regen stehen. Was meine schlechte Meinung über solche Geräte nicht verbessert hat.
Das erinnert mich an meinen Fernseher, der für mich einen Dual-Use-Erwerb darstellte: Fernseher und Monitor-Ersatz für meinen Computer. Ich bin viele Jahre ohne Fernseher ausgekommen und so ist der Empfang der Programme für mich eher ein Zusatznutzen als Hauptverwendung. Woran der Fernseher keine Schuld hat, sind die damit empfangbaren Programme, die mich teilweise recht fassungslos machen. Gefühlt besteht nämlich die Hälfte davon aus Koch- und Rateshows und den Rest bilden Wiederholungen aus Zeiten, in denen ich wirklich noch jung war – und das liegt verdammt lange zurück.
Die Menge der Programme steht also in keinem Verhältnis zur Qualität des Gesendeten, und da ich schon altersbedingt mit meiner Zeit sehr sorgfältig umgehe, ist das für mich eine Zumutung. Vom Umfang der Werbung darin gar nicht erst zu reden.
Eine andere Zumutung war für mich die ziemlich einhellige Verurteilung der Straßenblockaden durch Umweltaktivisten, die sich auf der Straße festklebten und ziemlich unverhohlen für den Tod einer Radfahrerin mitverantwortlich gemacht wurden, weil Rettungsfahrzeuge nicht rechtzeitig an den Unfallort gelangen konnten. Quasi nur im Kleingedruckten einer etwas genaueren Berichterstattung ergab sich aber, daß sich dies nicht mit der Einschätzung der Feuerwehr deckt. Wenn Herr Söder gleich auf diesen Zug aufspringt und schärfere Maßnahmen gegen solche Formen des Protestes fordert, sollte man aufhorchen und sein eigenes Urteil ganz genau abwägen. Der Mann ist als Person schon eine Zumutung. Er ist ein Beispiel dafür, daß auch ein intelligenter Mensch ganz schön blöd daherkommen kann.
Eine weitere Zumutung traf mich heute beim Hören der Frühberichterstattung. Auf allen Kanälen Neues über den Ausgang der Wahlen in den USA, dessen Inhalt im Kern darin mündete, daß zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch gar nichts endgültig zu berichten war. Aber das erfolgte in größter Ausführlichkeit.
Das Radio, dem ich im Allgemeinen deutlich den Vorzug vor dem Fernsehen gebe, bietet mir seit einiger Zeit eine akustische Zumutung. Der WDR 5 hat einen neuen Pausen-Jingle, der von einer derart stupenden Stupidität ist, daß mich jedenfalls spätestens nach 2 Sekunden der Impuls befällt, das Radio aus dem Fenster zu werfen. Ich wähle dann doch lieber die kostengünstigere Variante, es auszuschalten. Aber bei mir bleibt die Frage, ob sich das Ding denn vorher niemand in einer längeren Wiederholung angehört hat. So taub kann man doch gerade im Hör-Funk nicht sein, oder?
Eine weitere Quelle grollender Verbitterung stammt ebenfalls aus dem Fernsehen, und zwar in Form der Sendung „TV total“ auf PRO 7. Schon als Vorgänger in der Moderation durch Stefan Raab war sie mir zuwider, aber Sebastian Puffpaff kannte ich noch aus der Zeit, als er Kabarett (oder war’s Comedy?) machte und er war mir daher in guter Erinnerung. Welch ein Abstieg! Allein das Anbiedern in der Ähnlichkeit der Studioausstattung an Jan Böhmermann ist eine Zumutung. Warum am Anfang eine bedauernswerte Frau einen abgelesenen Text ins Mikrofon schreien muß, geht an meinen Verständnismöglichkeiten weit vorbei. Ich will da nicht weiter ins Detail gehen; die Sendung war schlicht eine Enttäuschung, eben eine Zumutung.
Kommen wir auf die Politik, die uns ja auch manches zumutet. Bei zwei Personen stellt sich mir immer die Frage, was sie letztendlich antreibt. Es handelt sich bei den Personen um Olaf Scholz und Christian Lindner. Es ist eigentlich unfair von mir, Friedrich Merz nicht in diese Runde aufzunehmen, aber das wäre mittlerweile wirklich zu viel der Ehre.
Wenn von Olaf Scholz die Rede ist, zucke ich schon mal vorsorglich zusammen: Was, um Himmels Willen, ist ihm jetzt wieder eingefallen? Der Mann ist für mich die menschgewordene Peinlichkeit, sei es sein Schweigen zu Waffenlieferungen an die Ukraine, die Verlängerung der Laufzeit von 3 AKWs oder die Reise nach China zu dem lupenreinen Demokraten… Ach ne, da verwechsle ich was – oder doch nicht?
Und Christian Lindner – ein Mann, der als Kompensation für sein lädiertes Ego einen Porsche braucht. Muß ich da wirklich noch mehr sagen? Der für massiv verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken über 2023 hinaus eintritt, aber auch nicht sagen kann, was mit der dann fälligen Sicherheitsüberprüfung und dem anfallenden Atommüll geschehen soll.
Früher wurden goldene Götzenbilder angebetet, bei Lindner tut es die heilige Schuldenbremse, die er um jeden Preis einhalten will. Umgekehrt winkt er das „Sondervermögen“ einfach etatmäßig durch. Schon der Begriff ist eine Zumutung. Es handelt sich schlicht um Schulden, die nur umetikettiert werden. Aber Hauptsache, buchhalterisch steht die „schwarze Null“. Ich denke da eher an „schwarze Witwen“, die mir an den Hals wollen.
Ähnlich wirkt auf mich die Verweigerung der CDU, dem Bürgergeld zuzustimmen und nur die Erhöhung der Regelsätze durchzuwinken. Die Tafeln beklagen ein geringeres Spendenaufkommen und steigende Hilfsbedürftigkeit in der Bevölkerung. Egal. Da soll das „Lohnabstandsgebot“ gelten. Wer gebietet das eigentlich? Wenn ein Arbeitseinkommen nicht ausreicht, den Lebensunterhalt inklusive Miete zu stemmen, dann ist nicht die Höhe der Sozialleistungen das Problem, sondern die miese Bezahlung. Deutschland hat europaweit den größten Niedriglohnsektor, was uns lange als letztendlich soziale Wohltat verkauft wurde. Und jetzt verkauft man uns weiter für dumm.
Ich könnte noch einige Zeit weitere Beispiele aufführen, aber mir fehlt letztlich die Lust dazu. Ich bemerke denselben Mangel, der mich schon seit vielen Jahren ohne Schwierigkeiten auf die Palme bringen könnte – wenn ich mir die Reise dahin leisten könnte: Es genügt in diesem Land (und in vielen anderen Ländern) nicht, die Fakten auf seiner Seite zu haben, wenn die angesprochenen Tatsachen den politischen Eliten nicht genehm sind.
Das sind die wahren und wirklichen Gefahren für die Demokratie.