LesArt

Gioconda Belli

Belli

Ich bediene mich gern des öffentlichen Bücher­schranks in der Pontstr. Dort stieß ich auf einen Sammelband mit Texten mittel- und südamerikani­scher Autoren.

Eine Vorstellung der Schriftstellerin Gioconda Belli

Auf Gioconda Belli bin ich nur durch Zufall gestoßen. Ich bediene mich gern des öffentlichen Bücher­schranks in der Pontstr. Dort stieß ich auf einen Sammelband mit Texten mittel- und südamerikani­scher Autoren. Darunter war auch Gioconda Belli, die mir bis dahin kein Begriff war, aber in das erste Gedicht, das ich von ihr las, habe ich mich sofort verliebt. Besonders gefallen hat mir daran als erstes, dass der spanische Originaltext ebenfalls abgedruckt war. Zwar spreche ich nicht fließend Spanisch, aber in Verbindung mit meinem ausgeprägten Sprachgefühl ergibt das eine brauchbare Mischung, um den Originaltext mit der Übersetzung abzugleichen.

Die erste Unstimmigkeit betraf den Titel des Gedichtes. In der Übersetzung lautet er „Spielregeln für Männer, die mich lieben wollen“. Meine Übersetzung sah etwas anders (und richtiger!) aus: „Spielre­geln für Männer, die in den Frauen die Frauen lieben wollen“. Ein nicht ganz unwichtiger Unter­schied.

Vor allem zwei Zeilen hatten es mir angetan: „Der Mann, der mich lieben möchte, muss erkennen, dass in mir die durchscheinende Taube Zärtlichkeit nistet.“ Dieser poetischen Anforderung an einen Mann stellt sie eine weiter hinzu: „Der Mann, der mich lieben möchte, darf keine Angst vor Küchen­dunst und Windeln haben.“ Flapsig zusammengefasst kann man sagen, dass der Mann zwar roman­tisch, aber auch alltagstauglich sein soll. Diese Verbindung von Poesie und Realismus hat mich für das Gedicht eingenommen.

Natürlich wollte ich nach dieser freudigen Entdeckung mehr über Gioconda Belli wissen, und es traf sich gut, dass ich im Bücherschrank ein anderes Mal ihr Buch mit autobiografischen Skizzen fand. Die deutsche Ausgabe trägt den Titel „Die Verteidigung der Wahrheit“, aber ich finde den spanischen Titel schöner: „El país bajo mi piel“ (Das Land unter meiner Haut). Leider konnte ich nur einen kurzen Eindruck gewinnen, da es mir zusammen mit meinem Rucksack gestohlen wurde.

Aber ich erfuhr genug, um meine Faszination zu verstärken, denn ihr Leben verlief in durchaus unüb­lichen Bahnen. Sie entstammt einer wohlhabenden Familie und damit sogenannten „geord­neten Verhältnissen“. In diesen Jahren herrschte in Nicaragua der Diktator Somoza, gegen den die Frente Sandinista (FSNL) kämpfte. Belli erwärmte sich für deren Ziele und unterstützt sie anfangs, indem sie Angehörige der FSNL versteckte. Aus diesen Erfahrungen entstand der Roman „Bewohnte Frau“.

Diese Tätigkeit blieb dem Sicherheitsapparat Somozas nicht lange verborgen, und so ging Belli in den Untergrund, um mit der Waffe in der Hand weiter gegen das Regime zu kämpfen. Eine entsprechende Ausbildung hatte sie auf Kuba erhalten, teils sogar direkt von Fidel Castro.

Wie wir heute wissen, fiel das Somoza-Regime. Allerdings wurde Daniel Ortega, der Führer der FSLN, immer mehr zu einem „würdigen“ Nachfolger Somozas. Wie so oft in der Geschichte wurde nur ein Übel durch ein anderes ersetzt. Es muss in dieser Zeit gewesen sein (genau weiß ich es nicht), dass sie sich in einen New Yorker Journalisten verliebte. In ihren Skizzen beschreibt sie, wie es sie bedrückte, in den Straßen Managuas den Ruf „Yankee go home!“ zu hören – wo sie sich doch gerade in einen verliebt hatte. In der Folge teilte sie ihr Leben zeitlich auf. Ein halbes Jahr verbrachte sie in Managua, die andere Hälfte in New York. Ich weiß nicht, wie lange dieses Arrangement Bestand hatte; nach meinem letzten Wissen lebt sie jetzt mit ihren drei Kindern wieder in Managua.

Was mich besonders an Gioconda Belli und ihren Gedichten fasziniert: Sie ist immer eine Liebende geblieben, ob es sich um ihr Heimatland handelte oder den Mann an ihrer Seite. Diese geradezu zärtliche Haltung dem Leben gegenüber hat sie auch davor bewahrt, eine eifernde Revolutionärin zu werden, auch wenn ihr Handeln es an Entschiedenheit nicht fehlen ließ. Diese Zärtlichkeit findet sich auch immer wieder in ihren Gedichten und Romanen. Sie erinnert mich damit an den großen chileni­schen Lyriker Pablo Neruda, der seiner Autobiographie den Titel „Ich bekenne, ich habe gelebt“ gab.

Bellis Romane sind nicht immer als realistisch zu bezeichnen und haben Anklänge an den magischen Realismus eines Gabriel García Marquéz. Aber wie man Belli auch literarisch einordnen will (muss man?), so bleibt sie doch immer eine große Schriftstellerin, die durch ihre Sprache und Sujets zu überzeugen vermag.